Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Unterfinanzierung der ambulanten Versorgung hat inzwischen ein Ausmaß angenommen, das unerträglich ist. Deshalb hat sich die Vertreterversammlung in ihrer Sitzung am 16. März 2024 mit der Frage beschäftigt, ob es möglich ist, die Leistungsmenge an das vorhandene Geld anzupassen. Aus unserer Sicht war das mit dem bisherigen Honorarverteilungsmaßstab (HVM) nicht möglich. Unterschwellig schwangen immer die Ängste mit, dass bei weniger Leistungen in der eigenen Praxis und gleichzeitig mehr Leistungen der anderen Praxen demjenigen Honorar verloren geht, der weniger machte. Das können wir zwar nun auch nicht zu 100 Prozent ausschließen, aber wenn es passiert, passiert es nur noch in der eigenen Fachgruppe. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, jede Fachgruppe autonom zu machen und damit dafür zu sorgen, dass die Fachgruppen nun mit der Leistungsanforderung selbst über den individuellen unteren Punktwert im eigenen Honorartopf entscheiden.
Fachgruppentöpfe werden gegeneinander immunisiert
Dafür werden wir innerhalb der Fachgruppe nach wie vor sechs Prozent Honorar zurückstellen. Zumindest jetzt zu Beginn der Regelung, perspektivisch muss man die Entwicklung beobachten und schauen, ob die Geldmenge in Zukunft auf vier oder zwei Prozent reduziert werden kann. Das hängt am Ende vom Leistungsgeschehen ab. Unser Credo in der Honorarverteilung lautet also ab sofort: Alle Kraft den RLVs und QZVs! Wir hoffen, dass das ein klares Signal in Richtung von Gesundheitspolitik und Krankenkassen ist, dass man dort versteht: Wer mehr Leistungen will, der muss auch dafür bezahlen. Warum kommen diese Änderungen jetzt erst? In der Coronazeit hatten wir ein anderes Leistungsgeschehen, insbesondere Fallzahlen und Leistungsbedarf waren zum Teil stark rückläufig, so dass wir in einzelnen Versorgungsbereichen sogar bis zu 100 Prozent auszahlen konnten. Danach kam eine Übergangsphase, in der der untere Punktwert kaum Relevanz hatte. Die Situation hat sich durch den Wegfall der Neupatientenregel, für die es im fachärztlichen Bereich nach wie vor keinen adäquaten Ersatz gibt, weiter verschärft. Die Neupatientenregelung hat uns bis zum Quartal 4/2022 honorartechnisch über Wasser gehalten, hat das Überleben der grundversorgenden Fachärztinnen und Fachärzte etwas leichter gemacht. Dieses Honorar fehlt nun endgültig und es gibt auch kein Angebot der Politik zum Ausgleich. HaFa, die Haus-/Facharztvermittlung funktioniert offensichtlich nicht ausreichend. Nun müssen wir also handeln. Die Änderungen treten zum 1. April 2024 in Kraft. Sie erhalten den Text des neuen HVM in den nächsten Tagen mit gesonderter Post.
Reduzieren Sie quotierte Leistungen!
Unsere Botschaft lautet: Reduzieren Sie innerhalb der Fachgruppen Leistungen, insbesondere dann auch in Ihrer Praxis, wenn Sie einen besonders hohen Anteil an quotierten Leistungen haben. Welche das sind, sehen Sie in Ihren Honorarunterlagen. Reduzieren Sie hingegen nicht die Fallzahl, reduzieren Sie nicht den RLV-/QZV-Bereich, reduzieren Sie Leistungen, die Sie nur quotiert vergütet bekommen. In einem späteren Schritt müssen wir sehen, inwieweit man die Honorarverteilung tatsächlich bis auf die einzelne Praxis herunterbrechen kann, um den Praxen ein finanzielles Budget zu geben, auch wenn sich das in der Vergangenheit stets als schwierig herausgestellt hat.
Ein klares Zeichen an die Krankenkassen
Die Angst einer Fachgruppe, dass das eigene Honorar verloren geht, wenn eine andere Fachgruppe in die Menge geht, hat nun keine Grundlage mehr. Am Ende haben es die einzelnen Fachgruppen nun in der Hand und die Situation verlangt danach, dass die Berufsverbände dies mit ihren Mitgliedern abstimmen. Der Weg, in der Praxis alles beim Alten zu belassen, auch bei gleichbleibender Leistungsmenge, wird nicht funktionieren können. Tatsächlich steckt im neuen System das Risiko, dass Ärztinnen und Ärzte, die bisher große Mengen an quotierten Leistungen abgerechnet haben – und zwar deutlich größere Mengen als Ärztinnen und Ärzte der gleichen Fachgruppe – , etwas an Honorar verlieren können, weil mit dieser Entwicklung auch eine Stärkung der RLVs und QZVs einhergehen wird. Nun darf man an dieser Stelle nicht Hunderte von Euros pro Fall erwarten, das sind alles kleine Schritte, aber mehr als kleine Schritte sind in einer budgetierten Gesamtvergütung nun mal nicht möglich. Insofern werden wir natürlich weiterhin für einen Wegfall der budgetierten Gesamtvergütung bei den Fachärztinnen und Fachärzten kämpfen. Bei den Hausärztinnen und Hausärzten, die von diesen Regelungen nicht betroffen sind, hoffen wir nach wie vor auf die zigfach versprochene Entbudgetierung. Ob Sie den Ankündigungen von Herrn Lauterbach beim Fachärztetag Glauben schenken wollen, ist selbstverständlich Ihnen überlassen. Wir sind der Meinung, wir müssen nun in der KV Hessen handeln und den Krankenkassen ein klares Signal senden. Dies ist ein Not-HVM, ein HVM der Budgetierung, und wer budgetiert, will weniger Leistung und will auch weniger Leistung bezahlen. Das unentgeltliche Erbringen von Leistung muss endlich ein Ende haben!
Die Praxisbesonderheiten gelten weiter, diejenigen, die sie bisher hatten, werden sie auch in Zukunft haben, es sei denn wir werden gezwungen, dies neu zu bewerten. Wenn die gesamten Ankündigungen des Bundesgesundheitsministers aus den vergangenen Wochen und Monaten tatsächlich kommen, dann passt unser neuer HVM erst recht. Deswegen lautet unser klares Signal an das Ministerium in Berlin: Herr Lauterbach, wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, wir können nun jede Fachgruppe nach dem MGV+-Prinzip entbudgetieren. Wir müssen nicht alle Fachärztinnen und Fachärzte auf einen Schlag entbudgetieren, wir können hier Schritt für Schritt vorgehen, auch wenn die Kassenärztliche Vereinigung Hessen uneingeschränkt an der Forderung der Entbudgetierung aller in der Patientenversorgung unmittelbar tätigen Fachärztinnen und Fachärzte festhält. Wir gestehen dem Gesetzgeber zu, dass dies schlimmstenfalls über bis zu drei Jahre gestreckt erfolgen kann. Allerdings sollten die Zusagen zur hausärztlichen Entbudgetierung zeitnah umgesetzt werden. Abgesehen davon wäre das aus unserer Sicht die flankierende Maßnahme für die Krankenhausreform, wenn diese im Sinne einer Versorgungsverbesserung tatsächlich ein Erfolg werden soll. In einer budgetierten Vergütung ist es schlechterdings nicht möglich, Versorgungsanteile der Krankenhäuser in nennenswertem Umfang zu übernehmen.